Früherkennung bei Polyarthritis
Zu den besonders gefährlichen rheumatischen Krankheiten zählt die chronische Polyarthritis, eine Gelenksentzündung, die oft schon nach kurzer Zeit zu einer Gelenkszerstörung mit Dauerschmerzen und Funktionsverlust führen kann. Neue Therapiemöglichkeiten lassen jedoch auch diese schwere Erkrankung wirkungsvoll bekämpfen. Unser Immunsystem ist krank Die chronische Polyarthritis, auch rheumatoide Arthritis genannt, ist eine chronische Gelenksentzündung, die sehr schnell den Gelenksknorpel angreift und damit die Gelenke zerstört. Ursache der Polyarthritis ist eine Störung unseres Immunsystems, welches außer Kontrolle gerät, überaktiv ist und sich gegen unseren eigenen Körper richtet. Über eine Aktivierung diverser Zellen und Botenstoffe des Immunsystems kommt es zu einer entzündlichen Reaktion, wobei neben Gelenken und Muskeln auch innere Organe wie Niere, Lunge, Herz oder Leber betroffen sein können. Dadurch entstehen Schmerzen, Schwellungen aber auch Allgemeinsymptome wie Fieber, Schwitzen und starkes Krankheitsgefühl. Biologische Medikamente Durch die bessere Erforschung unseres Immunsystems ist es gelungen Medikamente gegen überaktive Zellen und die Entzündung auslösenden Botenstoffe zu entwickeln. In den letzten Jahren stand dabei ein Botenstoff im Mittelpunkt des Interesses: Tumor Nekrose Faktor-Alpha (TNF-Alpha). Jetzt können auch mit zwei neuen Medikamenten die aggressiven Zellen des Immunsystems (B- und T-Zellen) direkt beeinflusst werden. Alle diese neuen Präparate werden unter dem Begriff „Biologika“ zusammengefasst. Sie funktionieren wie bestimmte Zellen der körpereigenen Abwehr, die Antikörper. Antikörper sind Abwehrstoffe unseres Organismus und vernichten für den Körper schädliche Elemente. Bei der Polyarthritis werden durch Verabreichung der neuen Substanzen die überaktiven Zellen und Botenstoffe des Immunsystems deaktiviert. Biologika wirken nicht nur auf die Symptome der chronischen Polyarthritis, sondern beeinflussen vor allem den Verlauf der Krankheit mit der Möglichkeit eines kompletten Stopps. Wie bei vielen anderen Krankheiten in der Medizin gilt auch hier: je früher diese Medikamente eingesetzt werden, desto besser wirken sie. Früherkennung entscheidend Prinzipiell kann die chronische Polyarthritis in jedem Lebensalter auftreten, wobei ein Häufigkeitsgipfel zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr zu beobachten ist. Frauen erkranken dreimal so häufig wie Männer. Auch vor Kindern schreckt diese Krankheit nicht zurück. Betroffen sind in erster Linie die kleinen Finger- und Zehengelenke, Hand- und Sprunggelenke, wobei häufig ein symmetrisches Muster an beiden Armen und Beinen auftritt. Folgende Anzeichen sollten jeden Menschen sofort zum Arzt führen:
Besonders dramatisch zu werten ist der Umstand, dass die Polyarthritis nicht nur Gelenke, sondern auch innere Organe wie Herz, Niere und Lunge schädigen kann. Schwere Verläufe der Erkrankung sind in vielen Fällen mit einer herabgesetzten Lebenserwartung verbunden. Da gerade in den ersten zwei Jahren der Erkrankung die größten Dauerschäden entstehen, kommt der rechtzeitigen Diagnose und Behandlung die größte Bedeutung zu. Experten sprechen von einem „therapeutischen Fenster“ innerhalb der ersten drei Monate nach Krankheitsbeginn. Wird hier behandelt, kommt es oft zu einer völligen Normalisierung des gestörten Immunsystems, und die Erkrankung heilt aus.
Neben der klinischen Untersuchung führen Laborbefund und bildgebende Methoden zur Diagnose. Die Blutsenkung, C-reaktives Protein, diverse Eiweiße, Rheumafaktoren und Anti-CCP-Antikörper sind meist deutlich erhöht. Auch bildgebende Verfahren sind maßgeblich für die richtige Diagnose. Wurden bislang vor allem konventionelle Röntgenaufnahmen der Gelenke benutzt, gewinnen Ultraschall(US) und Magnetresonanztomographie(MRT) zunehmend an Bedeutung. Mit diesen Methoden können schon sehr frühe Veränderungen erkannt werden.
Eine „Basistherapie“ sollte die Grundlage jeder Behandlung sein. Darunter versteht man den Einsatz von Medikamenten, die das überaktive Immunsystem drosseln und damit die Entzündung bremsen. Konventionelle Basismittel wie Methotrexat, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin oder Leflunomid bewähren sich seit vielen Jahren. Die neue Generation der Basismittel, die Biologika, blockieren gezielt bestimmte Zellen und entzündliche Botenstoffe und sind damit noch effektiver. Sie haben die Rheumatherapie in den letzten Jahren grundlegend revolutioniert und führen oft zu einem völligen Stillstand der Gelenkszerstörung. Diese Medikamente werden entweder vom Patienten selbst subcutan, also unter die Haut, gespritzt oder als Infusion verabreicht. Folgende Wirkstoffe werden derzeit eingesetzt:
Seit über einem Jahr ist ein weiteres biologisches Medikament zur Behandlung der Polyarthritis auf dem Markt: Rituximab (Mab Thera®), ein monoklonaler Anti-CD20-Antikörper, der selektiv auf jene Untergruppe der B-Zellen wirkt, die für die Gelenksentzündung maßgeblich verantwortlich sind. Seit Mai 2007 ist ein weiteres Medikament aus der Familie der Biologika in Österreich zugelassen: Abatacept (Orencia®). Diese Substanz greift die T-Zellen an, die die Entzündung bei der Polyarthritis in Gang setzen. Abatacept wird monatlich als Kurzinfusion verabreicht. Dieses Präparat wird in den USA seit mehr als zwei Jahren mit großem Erfolg eingesetzt und zeigt auch bei uns bezüglich Wirkung und Verträglichkeit hervorragende Ergebnisse. Schmerztherapie Antirheumatika wirken entzündungshemmend und schmerzstillend und sind neben einer Basistherapie ein wesentlicher Bestandteil jeder Behandlung. Da bei Langzeitgabe von herkömmlichen NSAR oft Nebenwirkungen am Magen-Darm-Trakt auftreten, wird die gleichzeitige Einnahme von Magenschutzmitteln empfohlen. Bei Hochrisikopatienten mit Magengeschwüren oder bei Einnahme von blutverdünnenden Substanzen werden die magenfreundlichen COX-2-Hemmer eingesetzt. Neben der oralen Einnahme von Antirheumatika zur zeitweiligen Schmerzbekämpfung hat sich gerade bei akuten Schüben die Gabe von antirheumatischen Infusionen mit hochdosiertem Vitamin-B-Komplex zur raschen Unterdrückung der Beschwerden besonders bewährt. Im akuten Stadium kommt teilweise auch Kortison in kleinen Mengen zum Einsatz. Die lokale Verabreichung von geringen Dosen direkt in die entzündeten Gelenke ist dabei besonders wirksam. Knorpelaufbau Da durch die Gelenksentzündung der Gelenksknorpel zunehmend zerstört wird, treten schon nach wenigen Jahren Abnützungen der Gelenke auf. Diese Arthrosen sollten frühzeitig mit Knorpelschutzpräparaten behandelt werden. In große Gelenke wie Knie, Hüfte, Schulter und Sprunggelenke wird Hyaluronsäure direkt in das Gelenk gespritzt. Für die kleinen Fingergelenke haben sich Chondroitinsulfat, Glucosaminsulfat und der IL-1 Inhibitor Diacerein als orale Medikamente bewährt. Die Verbindung von Entzündungshemmung und Knorpelaufbau führt in vielen Fällen zu einer deutlichen Funktionsverbesserung der Gelenke mit erheblich verminderten Beschwerden. Gesamttherapie Wenn Gelenksentzündungen schon jahrelang bestehen und die Gelenke angegriffen sind, kommt man mit Medikamenten alleine oft nicht aus. Die Kombination mit physikalischen Therapien und der Alternativmedizin kann hier die Lebensqualität erheblich steigern. Damit sei auf die große Wichtigkeit physikalischer Therapiemaßnahmen hingewiesen. Neben der Kälteapplikation bei akuten Entzündungen führt milde Wärmeapplikation in Form einer Elektro-, Licht- oder Balneotherapie bei chronischen Beschwerden zu einer wesentlichen Verbesserung der Gelenksfunktion. Eine gezielte Heilgymnastik zur Verhinderung von Muskelschwund ist in den meisten Fällen unerlässlich. Alternativ kann der Einsatz von Vitaminpräparaten überlegt werden. Für Vitamin E wird nach Auswertung diverser Studienergebnisse die tägliche Gabe von 1000-1200mg, allerdings zeitlich begrenzt auf drei Monate, empfohlen. Neben der schon erwähnten Heilgymnastik sollte man stets auf das regelmäßige Durchbewegen der Gelenke achten, diese aber nicht überlasten. So ist Schwimmen eine hervorragende Sportart, bei der schonend alle Gelenke des Körpers ohne wesentliche Belastung beansprucht werden. Alternative Heilmethoden Alternativ-medizinische Heilverfahren wie Homöopathie, Akupunktur, Akupressur, Magnetfeldtherapie, Chiropraktik und Neuraltherapie haben sich in den letzten Jahren zunehmend etabliert und zeigen oft erstaunlich gute Ergebnisse. Jeder Rheumapatient ist anders und braucht eine individuell angepasste Behandlung. Dank der hervorragenden Therapien ist Hilfe in jedem Stadium der Erkrankung möglich. In vielen Fällen kann die Polyarthritis gestoppt werden. Ein enges Zusammenarbeiten von Arzt und Patient trägt wesentlich zur Heilung bei.
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